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Notstand im Schlaraffenland – wie das Coronavirus unsere Einkaufsorte refiguriert

3. April 2020

COVID-19 stellt das gesamte gesellschaftliche Leben auf den Kopf und zeigt sich aktuell besonders deutlich im Lebensmitteleinzelhandel. Der Beitrag beleuchtet die Spannungen, die sich an unseren Einkaufsorten ergeben, wenn aufgrund der erhöhten Hygiene- und Schutzmaßnahmen der Supermarkt nun nicht mehr als Erlebnisort, sondern vor allem als Versorgungsort fungiert. Zudem wirft er einen Blick entlang der Warenkette und zeigt auf, wie Wissenslücken über Produktions- und Logistikprozesse in Krisenzeiten besondere Ängste schüren.

Es mutet fast tragisch an: Da braucht es eine Pandemie, damit unsere Gesellschaft vor Augen geführt bekommt, wie wichtig ihr die Lebensmittelversorgung und -sicherheit ist. Provokativ ausgedrückt feiern wir somit die (Wieder-)Entdeckung der essenziellen Bedeutsamkeit der Ernährungsbranche. Am 24. März 2020 nun wurden die Einrichtungen der Land- und Ernährungswirtschaft vom deutschen Bundeskabinett als „systemrelevante Infrastruktur“ [1] bestätigt. Damit einher gehen Flexibilisierungen hinsichtlich Saisonarbeiterregelungen, Arbeitnehmerüberlassungen oder Zuverdiensten. Doch wie genau wirkt sich diese tiefgreifende Krise sozial und räumlich auf die Ernährungsbranche und insbesondere das Arbeiten in den Geschäften des Lebensmitteleinzelhandels aus? 

Aufgrund der Einschränkungen im Zuge der Verbreitung von Covid-19 stehen die Lebensmittelgeschäfte, also unsere Einkaufsorte, im besonderen öffentlichen Interesse. Weil eine weitreichende Kontaktbeschränkung besteht, laufen nun gerade in diesen Räumen ein Großteil der sozialen Kontakte außerhalb des Haushalts zusammen. Das Konzept des Einkaufsortes wird auf eine besondere Probe gestellt und wird zum Paradebeispiel für die räumliche Ausgestaltung der spannungsgeladenen Not-Ordnung.

Der ideale Supermarkt

Das Supermarkt-Konzept ist der Inbegriff dessen, wie sich Bedürfnisbefriedigung in heutigen Zeiten vor allem in Ländern des globalen Nordens manifestiert. Ein Wirklichkeit gewordenes Schlaraffenland, durch das wir mit auf Stahlrollen befestigten Einkaufskörben zwischen meterlangen, prallgefüllten Regalen flanieren, um nach Lust und Laune dem Überfluss zu huldigen. Der reibungslose Ablauf wird zum einen durch die genaue Abstimmung von architektonischer Gestaltung und organisationalen Betriebsabläufen möglich. Leere Toilettenpapierregale passen da so gar nicht ins Bild. Zum anderen sind die Geschäfte vor Ort darauf angewiesen, dass andernorts Produktions- und Logistikprozesse ebenso reibungslos laufen (aber dazu später mehr).

Zunächst zum Einkaufsort. Einerseits werden, zumindest beim Filialsystem der großen Supermarkt- und Discounterketten, Standortfaktoren präzise abgewägt und das Sortiment für die potenzielle Kundschaft sorgfältig ausgewählt. Einkaufsorte sind in ihrer betrieblichen Gestaltung und ihrem Angebot darauf ausgelegt, dass beispielsweise ein bestimmter Teil der Kundschaft einmal die Woche (meist am Wochenende) seinen Großeinkauf erledigt und unter der Woche eher Kleinigkeiten shoppt. Ein anderer Teil der Kund*innen kommt vielleicht jeden Tag, verbindet den Einkauf von ein paar Kleinigkeiten dann vor allem damit, soziale Kontakte zu pflegen.[2]  

Andererseits ist die architektonische Gestaltung von Supermärkten und Discountern, von innen wie außen, i.d.R. gut durchdacht, beruht auf jahrzehntelangen Erfahrungswerten und ist auf die betrieblichen Abläufe bestmöglich abgestimmt. So soll die Innenarchitektur uns führen und uns – kognitiv wie körperlich – begreiflich machen, wie wir unsere Körper durch die Verkaufsräume manövrieren sollen. Das Konzept entspringt der Idee ein einfaches, übersichtliches Einkaufserlebnis zu erzeugen. Die Innenraumgestaltung ist demnach so umgesetzt, dass man als Verbraucher*in trotz potenzieller Zeitknappheit lange verweilt und möglichst viele – im Idealfall alle benötigten Produkte – in genau diesem einen Ladengeschäft erwirbt. Im Kassenbereich angekommen, wird man wiederum geschwind hinausgeschleust, um möglichst schnell Platz für die nächste Kund*in zu machen. 

Umkehrung eines liebgewonnenen Sinnbilds: Rationierungsfurcht im Schlaraffenland

Doch angesichts der ungewissen Lage ändert sich die kollektive Wahrnehmung, Urängste und bei einigen keimen sogar Kriegserinnerungen auf – wird es Engpässe oder gar bestimmte Waren gar nicht mehr zu erstehen geben? Bilder von leeren Regalen, vor allem in der Trockenabteilung (Nudeln, Mehl etc.), aber auch beim Obst und Gemüse verbreiten sich nicht zuletzt über soziale Medien. Die Furcht vor der Rationierung und dem Verlust der Konsumfreiheit, so von vielen geschlussfolgert, treibt die Menschen zu Hamsterkäufen. Oder handelt es sich doch um einen realen Verbrauch, der durch den ungewöhnlichen Umstand entsteht, dass wir nun alle stets und ständig zu Hause sind? Da könnte man sicherlich drüber streiten und es hängt mit dem individuellen Sicherheitsverständnis und biografischen Erfahrungen zusammen.

Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarkts, an zwei unterschiedlichen Tagen am 12. und 27. März 2020 (Fotos: Cornelia Thierbach)

Die Einschränkungen rund um Corona verändern unser Konsumverhalten. Was vorher in arbeitsnahen Kantinen und Restaurants, in der Schule oder Kita oder auch in anderen Außerhaus-Verpflegungseinrichtungen an Essen und Trinken konsumiert wurde, läuft nun in den eigenen vier Wänden zusammen. Daraus folgt, dass sich die Anforderungen und Ansprüche an die Geschäfte des Lebensmitteleinzelhandels, sei es nun der kleine Bio-Laden oder der Discounter um die Ecke, verschieben. Es ist für uns alle wichtig, dass das Funktionieren dieser Einrichtungen für des Gesamtsystem Gesellschaft aufrechterhalten wird.

Fakt ist, der Einzelhandel setzt in den ersten Wochen, in denen Corona auch Deutschland in den Notzustand versetzt, Waren im Dauerumschlag um. Und kann dabei sogar auf Werbeanzeigen und Aktionen verzichten, die sonst so wichtig sind, um Kunden in die Läden zu ziehen. Aufgrund der Corona-Krise muss in den einzelnen Läden plötzlich mehr und anders bestellt, öfter angeliefert und somit häufiger ausgepackt und eingeräumt werden. Das belegen nicht zuletzt Berichte, die ein Umsatzplus von bis zu 40% benennen.[3]Wendet man den Blick von den reinen Umsatzzahlen, die z.Z. vor allem im Niedrigpreissegment erwirtschaftet werden, zur Gesamtbetrachtung, muss man einberechnen, dass zusätzliche Mitarbeiter- und Securitykosten abgezogen werden müssen. Zudem mehren sich schon jetzt neue Ängste, nämlich jene über das, was danach kommt. So wird sich der anstehende wirtschaftliche Abschwung auch im Lebensmitteleinzelhandel bemerkbar machen und die derzeitigen Zugewinne relativieren.

Unwissenheit auf allen Ebenen

Wenn Hotels menschenleer bleiben, Kantinen einstauben und Restaurants, wenn überhaupt ihre Speisen nur noch als Take-away verkaufen, erscheint es nicht verwunderlich, dass die Geschäfte für die Endverbraucher aus allen Nähten zu brechen scheinen. Beharrlich beteuern Experten, v.a. die Top-Manager der großen Supermarkt-Ketten und nicht zuletzt die Bundesregierung selbst, immer wieder nachdrücklich, dass es nicht zu Versorgungsengpässen kommen werde. Die Warenströme werden weiterlaufen, man müsse nur vielfältig umplanen. Doch die Krise macht sichtbar, wie wenig wir darüber wissen, wo die Lebensmittel eigentlich genau herkommen, von wem und wie sie produziert, transportiert und gelagert werden. Diese Unwissenheit ist besorgniserregend, schürt Ängste und avanciert nun in der Krisenzeit zu einer kollektiven Erfahrung. Vor allem, weil unklar ist, wie lange die Einschränkungen andauern und was die jetzigen Maßnahmen nach sich ziehen werden. 

Innerhalb des Ernährungssystems machen sich ebenso Sorgen breit. Wenn nämlich für die Tomaten und Kräuter, die für den Gastronomiebereich oder kleine Kräutermärkte, bisher kein alternativer Abnehmer gefunden ist und die lokale Produktion im Gewächshaus somit heruntergefahren werden muss.[4] Oder wenn das Saatgut irgendwo an der dänischen Grenze liegt und die Aussaat des Spinats gefährdet, und zudem keiner weiß, ob die Lieferung des Pflanzenschutzdüngers aus China rechtzeitig eintrifft.[5] Das alles wird erst später für uns als Konsument*innen spürbar. 

Aber schon jetzt kann man die Stauhotspots vor allem an den Ländergrenzen sehen. Sie bescheren Pendler*innen wie LKW-Fahrer*innen an sonst frei passierbaren Strecken stundenlange Wartezeiten und uns leere Regal. Vor allem, dass nun jede Staatsgrenze mit eigenen Regelungen aufwartet, erschwert die Arbeit der gesamten Logistik. „Grüne“ Vorrangspuren für LKW verhelfen wenigstens zu etwas Entlastung.[6] Für die Waren, die keine Virusüberträger sind, werden die Grenzen offengehalten. Doch für die Menschen sind sie nur unter bestimmten Bedingungen passierbar, so z.B. für eine begrenzte Zahl an Saisonarbeiter*innen aus Osteuropa, die dann ausschließlich in Gruppen per Flugzeug und nach vorheriger Gesundheitsprüfung einreisen dürfen, um in Deutschland bei der Ernte zu helfen.[7] Und diese Problematik findet sich überall auf der Welt, ermöglichen die systemrelevanten Saisonarbeiter*innen doch die besonders kostengünstige Produktion von Obst und Gemüse.

Räumlich Neu-Ordnung im Supermarkt: Markierung der Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen 

Momentan scheint sich im Notstand der Alltag einzustellen, die Menschen tätigen weniger Hamsterkäufe und auch der Ansturm auf die Ladengeschäfte verteilt sich besser über die Tage hinweg. Dennoch, das Einkaufen ist dieser Tage anders, entspricht nicht mehr dem Normalen. Einfaches Stöbern ist meist weder gewollt noch erwünscht, weil man aufgefordert ist schnellstmöglich wieder zu gehen, um weiteren Kund*innen den Versorgungsgang und den Mitarbeiter*innen das Nachfüllen zu ermöglichen.

Hinweisschilder in verschiedenen Lebensmittelgeschäften zu Hygiene- und Schutzmaßnahmen als auch zu Höchstabgabemengen (Fotos: Linda Hering & Julia Fülling)

In den wenigen noch offenen Geschäften drängt man sich dicht an dicht, die Regale sind teilweise leer. Und dann noch die Angst, sich durch einen flüchtigen Kontakt mit einer anderen Person mit dem Virus anzustecken. Nicht verwunderlich ist da, dass das Schlaraffenland-Modell in Zeiten der Pandemie weder als Idee noch architektonisch aufgeht. Es müssen neue Erfahrungen gesammelt, neue Routinen etabliert und neue räumliche (An)Ordnungen gestaltet werden – das geht nicht von heute auf morgen und wird nicht überall gleich umgesetzt.

Um der Ausbreitung des Erregers Einhalt zu gebieten, sind neben Ausgangsbeschränkungen neue Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen im Lebensmitteleinzelhandel umgesetzt. Allerdings werden die landesweiten Allgemeinverordnungen durch die lokalen Behörden unterschiedlich ausgelegt, was vor allem beim Handel, der sich Einheitlichkeit wünscht, auf Missmut stößt.[8] So findet man in fast allen Läden Schilder oder Klebeband auf dem Boden, die den Mindestabstand von 1,5 Metern bzw. 2 Metern markieren. Man darf das Geschäft vielerorts nur noch einzeln oder zu zweit und mit Einkaufswagen betreten, die durch ihre reduzierte Anzahl und ihr räumliches Ausmaß die Anzahl der Kund*innen reduzieren und den Abstand zwischen ihnen wahren sollen. Umständlich schlängeln wir uns nun umeinander herum, sind irritiert, wenn dann plötzlich doch jemand direkt neben uns steht. Mitunter wird man am Regal oder der Kasse (meist von Mitkund*innen) unwirsch getadelt, wenn man den Sicherheitsabstand nicht einhält. 

Aushang der Hygieneregeln und großzügige Warteschlange vor der Einkaufstür eines Supermarktes in Berlin. Direkt hinter der Automatiktür regelt ein Security-Mitarbeiter den Einlass und desinfiziert die benutzten Einkaufswagen. (Fotos: Linda Hering)

Vor den Läden warten die Kund*innen geduldig in Reihen. Den Einlass kontrolliert das Security-Personal, das dann gleich noch die Einkaufswagen desinfiziert, oder die örtliche Polizei, wenn es aus dem Ruder läuft.[9]Andernorts sieht und spürt man fast keinen Unterschied, es braucht (noch) kein Plexiglas oder Einlasskontrollen. Für die Kund*innen ergibt sich eine seltsame Spannung, die changiert zwischen einem Gefühl der permanenten Ansteckungsgefahr, kommunikativen Aussetzern und unbekümmerter Distanzlosigkeit.

Krisen-Held*innen

Vor allem die Mitarbeiter*innen sehen sich durch das ungewöhnlich hohe Arbeitsaufkommen einer starken Arbeitsbelastung und Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Teilweise fehlen die helfenden Hände komplett z.B. in der Landwirtschaft, wenn nur noch ein Teil der Saisonhelfer*innen einreisen kann. Oder eben beim Sortieren und Verpacken in den Lagerhallen oder als LKW-Fahrer*innen. Bei Aldi kooperiert man daher momentan mit McDonald’s und borgt sich deren Mitarbeiter*innen aus.[10]

Mitarbeiter*innengesuch von Aldi Nord und Aldi Süd. (Quelle: https://www.aldi-nord.de/karriere/anpacken.html )

Da das allerdings noch nicht ausreicht, um die Mehrarbeit aufzufangen, wirbt man zur Unterstützung der eigenen Belegschaft momentan über 2000 neue befristete Kräfte – sogeenannte Anpacker – an.[11] Sie sollen sowohl auf der Fläche, also in den Läden, als auch in den Logistikzentren flexibel aushelfen. Drei blaue Handschuhe zieren den Aufruf und symbolisieren nicht nur die kräftige Unterstützung, sondern ebenso die hygienische Sorgfalt, mit der bei den Discountriesen gearbeitet wird. 

Aber nicht nur körperlich anstrengend ist die Arbeit, sondern genauso mental zermürbend. Wenn sich z.B. die Erregung unwirscher Verbraucher*innen über das Nicht-Vorhandensein von Toilettenpapier lautstark Gehör verschafft. Und da wären wir dann wieder am Anfang, bei der Systemrelevanz. Ohne die Beschäftigten in den Läden und Logistikzentren oder auch den LKW-Fahrer*innen würde einiges noch träger vonstattengehen, vielleicht sogar wirklich außer Kontrolle geraten. 

Neue räumliche Ordnung: Plexiglas-Schutzscheibe, Plastikkästen und Klebebandmarkierung zur Sicherstellung der 2-Meter Abstandsregelung (Fotos: Julia Fülling & Linda Hering)

Um die kostbare Arbeitskraft zu schützen und so das System am Laufen zu halten, steht die Kundschaft in einigen Läden schon vor „Spuckschutz“-Wänden aus Plexiglas. Das Personal erhält Wegwerfhandschuhe und Desinfektionsmittel. Zudem will man das Engagement der Mitarbeiter*innen würdigen, indem ihre Leistung per Dankeschön-Spots und Klatsch-Aktionen gerühmt wird. Die Politik stellt die Notbetreuung der Kinder in Schulen und Kitas zur Verfügung, damit die systemrelevanten Beschäftigten weiterhin tätig sein können. Nachdem schon vor Tagen in den USA und Frankreich Meldungen von Sonderprämien für die Belegschaft (von bis zu 1000 € steuerfrei) kamen, haben sich nun auch die großen deutschen LEH-Unternehmen zu Bonus- oder Prämienzahlungen entschlossen. Da der Bundestag allerdings noch über genaue Regelungen für steuerfreie Corona-Sonderzahlungen diskutiert, erhalten die meisten Beschäftigen zunächst Wertgutscheine oder Guthaben auf ihre Mitarbeiterkonten.[12]

Nach der Krise ist vor der Krise: nachhaltige räumliche Neu-Ordnung?

Die Krise macht für uns sichtbar, wie aufwändig und komplex die Prozesse sind, die uns unseren idealen Supermarkt ermöglichen. Die Hinterbühne, das Unsichtbare, rückt in den Vordergrund. Und es wird deutlich, was wir eigentlich alles nicht wissen, und das ist momentan für viele so beängstigend.

Eindrücklich zeigt sich wie die Einschränkungen der Covid-19-Pandemie als externe Faktoren Einfluss auf unser Ernährungssystem nehmen, wie sich Einkaufsorte in ihrer räumlichen Gestaltung und Organisation wandeln und wir unsere Routinen und unsere Körperbewegungen daran anpassen. Aber nicht nur der Handel wandelt bzw. re-figuriert sich. Gleichsam stehen Produktion und Logistik vielfältig vor unterschiedlichen Herausforderungen. Die globale Versorgung wie auch einzelne Existenzen sind gefährdet, wenn keine systemrelevanten Erntehelfer*innen mehr über die Grenzen kommen (können). Landwirtschaftliche Betriebe auf der ganzen Welt sind auf sie als Helfer*innen angewiesen, genauso wie sie wiederum von den Arbeitsplätzen im Nachbarland abhängig sind. Das alles wird das System langfristig ins Schwanken bringen. Die Krise ist Herausforderung und Chance zugleich.

Früher mündeten Versorgungsängste in Krisensituationen oftmals in Protesten, Unruhen und teilweise sogar Plünderungen. Die Corona-Pandemie legt hingegen andersartige Spannungen offen, die sich räumlich in unseren Einkaufsorten manifestieren und das Supermarkt-Konzept ins Wanken bringen. Die Umsetzung von erhöhten Hygiene- und Schutzmaßnahmen sowie der Schutz der Belegschaft vor Überlastung und Ansteckung bringt sowohl neue räumliche (An)Ordnungen als auch soziale Herausforderungen mit sich. Die globalen Verflechtungen des Ernährungssystems sind schon jetzt grundlegend erschüttert und das wird auch langfristig Auswirkungen auf die Verfügbarkeit sowie die Preise von Lebensmitteln haben.

Interessant wird zu beobachten sein, wer und was in Zukunft die Entwicklungsrichtung vorgeben wird und ob es einen bewussten Wandel geben kann. Können eventuell nachhaltige regional-orientierte Ernährungskonzepte zusammen gedacht werden mit Konzepten zur Absicherung von Krisensituationen? Und wie werden digitale Angebote und Dienstleistungen sinnvoll integriert? Und ebenso bleibt abzuwarten, ob und wie unsere Gesellschaft das systemrelevante Personal nicht nur in der Ernährungsbranche, sondern auch im Pflege- und Erziehungsbereich, dessen Arbeit man momentan so enorm wertschätzt, langfristig sowohl im Arbeitsalltag bessergestellt als auch finanziell mehr honoriert. Dies wird nur gelingen, wenn sowohl von politischer, unternehmerischer als auch Verbraucherseite Anteile beigesteuert werden, durch Gesetze, Lohnerhöhungen und die Bereitschaft, angemessene Preise für die Dienstleitungen und Lebensmittel zu zahlen.


[1] https://www.lebensmittelzeitung.net/politik/Corona-Hilfspaket-Kabinett-bestaetigt-Systemrelevanz-von-Land–und-Ernaehrungswirtschaft-145410

[2] Million, A. (2020, i.E.): Der gute Lebensmittelmarkt. Raumwissen von Standortentwicklern und Betreibern von Supermärkten und Lebensmitteldiscountern. In: Baur, N., Fülling, J., Hering, L, Kulke, E. (Hrsg.): Waren – Wissen – Raum. Interdependenz von Produktion, Markt und Konsum in Lebensmittelwarenketten

[3] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/coronavirus-rewe-marktleiter-berichtet-aus-dem-stressigen-alltag/

[4] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-coronavirus-gastronomie-lieferanten-1.4854759

[5] https://www.mdr.de/nachrichten/wirtschaft/regional/bauern-sicherheit-lebensmittel-versorgung-corona-krise-100.html

[6] https://www.lebensmittelzeitung.net/politik/Corona-Krise-Leyen-besorgt-ueber-Grenzstaus-145364

[7] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/corona-krise-erntehelfer-duerfen-nun-doch-nach-deutschland-kommen-a-4a7360a8-8151-40a1-93bc-6c960fb18cbb

[8] https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/5-Fragen-Lidl-Chef-Oppitz-fordert-einheitliches-Vorgehen-bei-Hygiene-und-Sicherheit-145447

[9] https://www.bz-berlin.de/berlin/charlottenburg-wilmersdorf/nach-polizeieinsatz-geschlossener-supermarkt-ist-wieder-geoeffnet-schlange-am-morgen

[10] https://www.n-tv.de/wirtschaft/McDonald-s-Mitarbeiter-befuellen-Aldi-Regale-article21673382.html

[11] https://www.aldi-nord.de/karriere/anpacken.html

[12] https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/Corona-Krise-Schwarz-Gruppe-schenkt-Mitarbeitern-ein-millionenschweres-Dankeschoen-145488