Doing Mini-publics: Translokalisierung von Politik (Datenbank)

Eine Vorstellung des Datenbankprojekts
Direkt zur Mini-Publics Karte https://sfb1265.github.io/mini-publics/

Zur vollständigen Mini-Publics-Datenbank als Google Sheet:
https://docs.google.com/spreadsheets/d/1Ue4Mdwf6ngzPCKmz5tKW9FavoeXLEZPEFbJI2mnAX_E/edit#gid=2061509366

Oder greifen Sie auf die vollständige Mini-Publics-Datenbank in der Infobox auf der linken Seite auf der Mini-Publics-Karte zu.

Das Datenbankprojekt ist Teil des Projekts „Doing Mini-publics“, einem Forschungsprojekt von 2018 bis 2021.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 290045248 – SFB 1265.

Was hat es damit auf sich?

In letzter Zeit gibt es zahlreiche Diskussionen über Bürgerräte. Sie werden als Demokratie-Innovation gehypt, die in der Lage ist, Repräsentations- und Legitimationsdefizite auszugleichen.
Historische Rückblicke auf die Innovationsreise zeigen, dass der Begriff Bürgerrat nur der aktuelle Oberbegriff für bestimmte Methoden der Bürgerbeteiligung ist, die in der Wissenschaft als “Citizen Panels” oder “deliberative Mini-Publics” beschrieben wurden (Voß/Amelung 2016, Voß et al 2021). Solche Methoden haben sich bereits seit den 1970er Jahren entwickelt und verbreitet, wenngleich unter verschiedenen Bezeichnungen wie Citizens‘ Juries, Planungszellen, Consensus Conferences, Deliberative Polls, oder World Wide Views. Im Kern wird ein Kongress von 12 bis mehreren hundert zufällig ausgewählten Bürger*innen organisiert, die zusammenkommen um ein kollektives Urteil über ein vordefiniertes politisches Problem zu fällen. Dafür werden sie mit Informationen versorgt und das Treffen wird moderiert, um eine faire und rationale Argumentation zu gewährleisten. Inzwischen hat sich ein ganzes Forschungsfeld herausgebildet, was sich eigens diesem Thema widmet und solche Prozesse nicht nur untersucht, sondern auch Lehren zur Verbesserung ihrer Gestaltung zieht. (Grönlund et al 2014; Bächtiger et al 2018). Es wurden bereits mehrere Versuche unternommen, Fälle zu verzeichnen und einen Überblick zu geben (z.B. Participedia, OECD etc.). All diese Versuche blieben jedoch unvollständig. Niemand weiß, wie viele Events insgesamt durchgeführt wurden. Wie viele deliberative Mini-Publics, wie wir sie hier nennen, haben im Laufe der Jahre stattgefunden? Und wo auf der Welt? Und wann? Und zu welchen Themen? Wer hatte sie initiiert und durchgeführt? In Bezug auf welche methodischen Vorgaben?
Wir haben diese Fragen im Rahmen eines Projekts aufgegriffen, welches deliberative Mini-Publics als Governance Innovation untersucht. Das Projekt „Doing Mini-Publics“ untersuchte diesen Prozess dahingehend, wie er einen translokalen Raum des Politikmachens auf der Grundlage dieses speziellen Modells öffentlicher Veranstaltung und Demokratie darstellt.
Unsere Herangehensweise war es, einfach mit dem Zählen zu beginnen. Wir definierten grundlegende Kriterien dafür, die erfüllt sein müssen um als deliberative Mini-Public zu gelten, und begannen dann auf verschiedene Weisen zu recherchieren. Wir wollten herausfinden, wie weit wir kommen und welchen Probleme wir auf dem Weg begegnen. So wollten wir die Möglichkeit einer vollständigen Erhebung eruieren, einer Datenbank mit allen deliberativen Mini-Publics, die bisher weltweit und seit den 1970er Jahren durchgeführt wurden.

Was macht eine partizipative Veranstaltung zu einem deliberativen Mini-Public?

Nach unserer Definition sind deliberative Mini-Publics Prozesse des öffentlichen Engagements, die mehrere, manchmal unterschiedliche Hauptmerkmale aufweisen:

  1. Eine zufällige Auswahl von Bürger*innen (12-200, in seltenen Fällen bis zu 800) wird als repräsentative Stichprobe der größeren Öffentlichkeit eingeladen.
  2. Sie werden mit sachbezogenen Informationen versorgt und professionell moderiert.
  3. Sie bringen eine Konsens- oder Mehrheitserklärung hervor, die als informierte und wohlüberlegte Sicht der Öffentlichkeit in eine breitere öffentliche Debatte und/oder laufende Prozesse der Politikgestaltung einfließt.
  4. Solche Verfahren nehmen ein bis mehrere Tage in Anspruch, an denen sich die Bürger*innen treffen und können sich auch über Wochen oder Monate erstrecken.

Die oben genannten Merkmale werden von unserem Projektteam als wesentliche Merkmale deliberativer Mini-Publics angesehen. Nichtsdestotrotz finden immer noch Diskussionen darüber statt, was ein Mini-Public ausmacht und welche Arten demokratischer Innovationen keine Mini-Publics im engeren Sinne sind (Elstub/Escobar 2017). Bislang genügt es zu sagen, dass Mini-Publics sich von spontan selbstorganisierten partizipativen Prozessen, von offenen Anhörungen oder organisierten Stakeholder-Beratungen, von Partizipation durch Referenden und Wahlen unterscheiden. Mini-Publics werden von Fachleuten für Bürger*innen organisiert, die per Los ausgewählt und mit einem Verfahrensrahmen ausgestattet werden, um eine bestimmte Art von deliberativer Auseinandersetzung und kollektivem Urteil zu erzeugen.

Die Datenbank: Tracken und Visualisieren der Zunahme von Mini-Publics

Das übergeordnete Ziel des Projekts „Doing Mini-Publics“ war es, das Reisen von Mini-Publics zwischen verschiedenen Orten zu untersuchen.

Wie bereits angedeutet, reisten Mini-Publics, seit ihrem Aufkommen in den 1970er Jahren in den USA und Deutschland, an verschiedene Orte. Zunächst reisten sie vor allem innerhalb der westlichen Welt und in jüngster Zeit zunehmend in den Globalen Süden. Ein zentrales Teilprojekt, hauptsächlich durch die studentischen Hilfskräften realisiert, war das Erstellen einer Datenbank, um die Verbreitung der Mini-Publics zu visualisieren, indem so viele Fälle wie möglich aus der ganzen Welt und seit ihrer Entstehung in den 1970er Jahren gesammelt wurden.

Dies diente dem Zweck, die Reise der Demokratieinnovation und die Ausdehnung des translokalen Raumes, in dem sie praktiziert wird, zu beschreiben. Auf Grundlage der Datenbank visualisieren wir der Geschichte der globalen Verbreitung von Mini-Publics: https://sfb1265.github.io/mini-publics/.

Bächtiger, André, John S. Dryzek, Jane Mansbridge, und Mark Warren, Hrsg. The Oxford Handbook of Deliberative Democracy. The Oxford Handbook of Deliberative Democracy. Oxford University Press, 2018. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780198747369.001.0001.

Elstub, Stephen, und Oliver Escobar. „A Typology of Democratic Innovations“, 31. Political Studies Association’s Annual Conference, Glasgow, 2017.

Grönlund, Kimmo, André Bächtiger, und Maija Setälä, Hrsg. Deliberative mini-publics: involving citizens in the democratic process. ECPR — studies in European political science. Colchester: ECPR Press, 2014.

Voß, Jan-Peter, und Nina Amelung. „Innovating Public Participation Methods: Technoscientization and Reflexive Engagement“. Social Studies of Science 46, Nr. 5 (Oktober 2016): 749–72. https://doi.org/10.1177/0306312716641350.

Voß, Jan-Peter, Jannik Schritt, and Volkan Sayman. “Politics at a Distance: Infrastructuring Knowledge Flows for Democratic Innovation.” Social Studies of Science, (August 2021). https://doi.org/10.1177/03063127211033990.