Teilprojekte | Projektbereich C | Zirkulation und Ordnung

C08
Architekturen des Asyls II: Zirkulation von Governance-Ansätzen, Planungswissen, Designpraktiken und Materialitäten

In der ersten Förderphase hat das Teilprojekt subjektive sozial-räumliche Aneignungspraktiken und Home-Making-Prozesse Geflüchteter in Flüchtlingscamps und Notunterkünften in Deutschland und Jordanien untersucht. Die Forschung hat diese Prozesse als konflikthafte Aushandlungen offengelegt, in denen Wissensbestände hybridisiert werden. Die SFB-Leithypothesen zu Polykontexturalisierung und Translokalisierung als Ausprägungen der Refiguration von Räumen erwiesen sich für die Analyse dieser Hybridisierung von subjektivem Raumwissen als fruchtbar. Sie prägen die extremen Orte der Asylarchitekturen in ihrer Materialität und als sozial-räumliches Konstrukt entscheidend. Wesentlich war dabei auch die Erkenntnis, dass die Rahmenbedingungen der Versorgungs- und Kontrollregime, die Asylarchitekturen mitbestimmen, nicht als monolithisch und homogen begriffen werden können. Das sich durch Planungs- und Designstandards oder Managementregularien manifestierende institutionelle Wissen wird geprägt von komplexen, multiskalaren und translokalen Zirkulationsdynamiken. In der zweiten Förderphase sollen durch einen Perspektivwechsel diese sich dynamisch entwickelnden Ordnungssysteme und die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Akteure, Konflikte und Aushandlungsprozesse verstärkt in den Blick genommen werden. Ein Fokus liegt hierbei auf den an konkreten Planungen und Bauprozessen von Asylarchitekturen beteiligten zivilgesellschaftlichen Akteuren und Stadtverwaltungen. Diesen Akteuren kommt eine immer wichtiger werdende Vermittlungsrolle zu: zwischen einerseits auf nationaler Ebene definierten Asylgesetzgebungen, geostrategischen Sicherheitspolitiken oder dem internationalen humanitären Regime zugeordneten Akteuren wie UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees), global agierenden NGOs oder Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und andererseits den sich vor Ort ergebenden kontextuellen Faktoren und konkreten alltagsweltlichen Konflikten und Herausforderungen. Das Teilprojekt wird die Fragestellung untersuchen, welche neuen „glokalen“ Governance-Konstellationen bei der Bewältigung von Fluchtmigration in Städten entstehen und wie sie die physisch-materiale Raumkonstitution durch Asylarchitekturen beeinflussen. Durch die Beobachtung von planerischen Aushandlungen und der durch sie entstehenden Orte in ihrer physisch-materialen Dimension wird untersucht, wie die national und supranational definierten regulativen Rahmenbedingungen (politisch und rechtliche Grundlagen, Normierungen, Designstandards oder Handbücher) als Absicherungen technopolitischer Regime für Geflüchtetenunterbringung und -versorgung an lokale Bedingungen angepasst werden und somit neue Regimebildungsprozesse entstehen.

In Kontinuität zur ersten Förderphase wird die Fallstudie der Berliner Tempohomes als Notunterkunfts-typologie fortgesetzt. Die Fallstudie Jordanien wird auf den Metropolraum Amman neu ausgerichtet. Hinzu kommt mit Abuja in Nigeria eine dritte, validierende Fallstudie in einer durch Krisen, Binnenvertreibungen und internationale Interventionen geprägten Region. Das Teilprojekt erweitert somit das Spektrum der untersuchten Asylarchitekturen und entwickelt eine Typologie jenseits von Flüchtlingslagern und Notunterkünften. Damit kann auch eine erweiterte Gruppe von Geflüchteten, Binnenvertriebenen und Migrant*innen in den Blick genommen werden, zwischen denen klare Unterscheidungen zunehmend unmöglich sind. Am Beispiel der critical juncture globaler Fluchtmigration will das Teilprojekt somit zum Verständnis dessen beitragen, wie stadtplanerische Krisenmanagements in multiple spatialities durch translokal wirkende Konflikte und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Raumfiguren mit ihren politischen, rechtlichen und technischen Aspekten geprägt und verändert werden.

Publikationen

Phase 1 (2018-2021)

Architekturen des Asyls: Aneignungsprozesse in Flüchtlingsunterkünften

Das Teilprojekt „Architekturen des Asyls“ untersucht die Re-Figuration von Räumen am Beispiel physisch-materieller und symbolischer Aneignungsprozesse von geflüchteten Personen am Asylort. Das Vorhaben ist geleitet von der Hypothese, dass die Extremsituation von Geflüchteten in besonderem Maße Prozesse der Re-Figuration von Räumen sichtbar macht, die auch in anderer und teils abgeschwächter Form in Migrationsprozessen allgemein wirksam werden. Es soll somit wichtige theoriebildende und praktische Einsichten für eine zunehmend mobile und von interkulturellen Begegnungen geprägte, urbanisierte Gesellschaft geben. Im Zentrum stehen folgende forschungsleitende Fragen: Welches Raumwissen machen Menschen aus ihrer besonderen Situation im Schwebezustand zwischen Herkunftsort, teils dramatischer Flucht und dem Ankommen und ungesicherter Aufenthaltsfrist an (einem) noch fremden Asylort(en) handlungsrelevant? In welcher Beziehung stehen die subjektiven Raumerfahrungen, die in unterschiedlichen Orten und Kontexten gesammelt wurden, zueinander? Wie verändern sich die Raumkonstitution in ihrer Beziehungsdynamik mit fortlaufender Zeit und durch welche Faktoren werden Veränderungen beeinflusst? Empirisch wird sich die Studie auf syrische Geflüchtete konzentrieren, die seit 2011 Zuflucht an unterschiedlichen Asylorten in Jordanien und in Deutschland gefunden haben. Die Untersuchung ist als qualitative Vergleichsstudie angelegt, die das Ankommen und das Sich-Einrichten von Geflüchteten an verschiedenen Asylorten beobachtet und daraus Rückschlüsse auf den Re-Figurationsprozess von Räumen zieht. Als Fallstudien sollen in Jordanien und in Deutschland verschiedene Flüchtlingsunterkünfte untersucht werden. In Deutschland liegt der Fokus auf Berlin und dort auf Container-Standorten in Treptow-Köpenick, Kreuzberg und Buch inklusive der unmittelbar angrenzenden urbanen Kontexte. In Jordanien werden die von der UNHCR betriebenen Flüchtlingslager Zaatari und Azraq untersucht. Die sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, denen die geflüchteten Syrer/-innen in Jordanien und Deutschland ausgesetzt sind, sollen Aufschluss darüber geben, wie der Kontext des Asylortes den räumlichen Lokalisierungs- und Neuverortungsprozess mitprägen.