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C03
Doing Mini-publics: Translokalisierung von Politik

2018-2021

Seit den 1970er Jahren haben sich „deliberative Mini-Publics“ auf der ganzen Welt verbreitet. Dieses interaktionale Modell basiert auf moderierter Deliberation einer Gruppe repräsentativ ausgewählter Bürger_innen mit dem Ziel Habermas Theorie des kommunikativen Handelns in spezifischen Situationen zu verwirklichen und ist damit Teil einer größeren Bewegung zur Innovation von Demokratie. Unser Forschungsprojekt Doing mini-publics: Translokalisierung von Politik macht die Organisierung von solchen Prozessen der Bürger_innenbeteiligung zur Fallstudie um breitere Fragestellungen anzusprechen: Welche Relevanz haben „Wissensräume“ für die spätmoderne Politik? Wie prägen von Expert*innen formulierte Politikmodelle tatsächlich die politische Realität? Wie zirkulieren bestimmte Modelle in der Praxis, die vorschreiben, was Politik ist und wie diese gemacht wird? Wie werden Vorstellungen von Bürger_in-Sein und Politik durch diese Modelle und deren Implementierung (re)produziert? Wir argumentieren, dass das Netzwerk von Orten, an denen verschiedene Versionen des Modells der „Mini-Publics“ entwickelt und umgesetzt werden, einen neuen Raum demokratischer Kultur konstituiert. Dieser liegt quer zu den verschiedenen regional etablierten politischen Kulturen und interagiert mit ihnen. Dieser neu konstituierte Raum umfasst sowohl Orte, an denen das Modell in praktischen deliberativen Prozessen angewendet wird, als auch Orte, an denen es wissenschaftlich theoretisiert und erprobt, als professioneller Standard verhandelt oder sogar als Instrument für politische Entscheidungsträger_innen vermarktet wird. Um die entstehenden translokalen Wissensräume der Politik zu untersuchen, werden wir von Ansätzen des „experimentellen Weltmachens“ und „Mediation“ (in den Science and Technology Studies) sowie von Studien über „Mobilität der Politik“, „Übersetzungen“ und „translokale Assemblagen“ (in praxeologisch orientierten Globalisierungsstudien) ausgehen. Wir folgen dem Modell der deliberativen Mini-Publics, wie es sich durch verschiedene Kontexte bewegt und transformiert. Außerdem analysieren wir, wie Praktiken der deliberativen Mini-Publics über verschiedene Standorte hinweg auf einer materiellen und diskursiven Ebene verknüpft sind und wie diese translokalen Verbindungen lokale Praktiken und Theorien über Partizipation wiederum prägen. Unser Forschungsprojekt in der Praxis Um zu verstehen, wie das Modell der Mini-Publics zirkuliert, werden Ethnographie und Diskursanalyse in einem innovativen methodischen Ansatz kombiniert. Wir nehmen damit eine breite pragmatische und praxistheoretische Perspektive auf das gesellschaftliche Leben und auf die Frage ein, wie sich komplexe Praktiken über Zeit und Ort konstituieren. Wir planen ethnographische Feldstudien an drei verschiedenen Orten, an denen das Verfahren der Mini-Publics entwickelt und formuliert wird (z.B. Forschungsprojekte, professionelle Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, Formulierung von Best-Practice-Standards bei Auftragsinstitutionen wie der EU), und in vier Kontexten der Implementierung (in verschiedenen politisch-kulturellen Kontexten in Europa, USA, Afrika, Asien). Diese mobile multi-sited Ethnographie befasst sich mit den folgenden Fragen: Wie bewegt sich verfahrenstechnisches Wissen zur Durchführung von Mini-Publics im Raum? Wie sind Praktiken durch die Zirkulation von (a) Expert_innen und Moderator_innen mit inkorporierten Kompetenzen und Fertigkeiten, (b) Metaphern, Konzepten und Regeln und (c) materiellen Artefakten wie Kommunikationstechnologie, Sitzordnungsmodellen oder sogar Einladungsschreiben miteinander verbunden? Die diskursanalytische Dimension unseres Projekts konzentriert sich auf die Darstellung wichtiger Orte und räumlicher Anordnungen, innerhalb derer das Modell der Mini-Publics entwickelt und angewendet wird, und die die Art und Weise seiner Zirkulation prägen. Zweitens fragt sie, wie diskursive Praktiken die Implementierung von Mini-Public-Ereignissen vorprägen. Um diese Fragen zu beantworten, analysieren wir weit verbreitete Texte im Feld der Mini-Publics sowie Dokumente und Interviews, die bei Feldforschungen erhoben werden. Die Kombination von Diskursanalyse und Ethnographie dient der Analyse der Wechselwirkung zwischen diskursiver und materieller Raumkonstruktion und ist ein Beitrag zu den jüngsten methodischen Debatten über Diskursethnographie. Darüber hinaus wird eine Datenbank zur Erfassung von Mini-Public-Projekten von den 1970er Jahren bis heute eingerichtet. Dies ermöglicht uns, die Verbreitung von Mini-Publics im Zeitverlauf geografisch zu erfassen und zu beschreiben, wie die Zirkulation von Menschen, Dokumenten und Artefakten Praktiken an verschiedenen Orten verbindet. Unser Ziel ist zu analysieren, wie sich sukzessive eine translokale Gemeinschaft demokratischer Praxis entwickelt, wie interne Machtverhältnisse geformt werden und wie sich dies wiederum auf die lokalen politischen Kulturen auswirkt, mit denen diese Gemeinschaft interagiert. Mit anderen Worten wollen wir Mini-Publics als demokratische Innovation „in der Entstehung“ untersuchen, d.h. im Hinblick auf die praktische Arbeit, die in die Formulierung, Etablierung und Verbreitung einer neuen Technologie der Demokratie einfließt – und im Hinblick auf ontologische Annahmen, die in ihr Design eingeschrieben und durch ihre Implementierung realisiert werden.

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